„Ist Nachhaltigkeit utopisch?“ (Der neue Bericht an den CLUB OF ROME)
Wackler-Vorstand Peter Blenke und ConClimate Geschäftsführer Dr. Christian Reisinger im Gespräch mit Prof. Christian Berg
Peter Blenke: Herr Prof. Berg - ich freue mich über die Möglichkeit, dass wir uns gemeinsam mit Dr. Christian Reisinger, dem Geschäftsführer unserer neuen Tochtergesellschaft ConClimate, über Ihr neues Buch „Ist Nachhaltigkeit utopisch?" unterhalten können.
Prof. Christian Berg: Die Freude ist ganz meinerseits!
Peter Blenke: Herr Prof. Berg, in den letzten Jahren verdichtet sich die Erkenntnis, dass durch den Klimawandel die Stabilität und Resilienz unseres Planeten akut in Gefahr ist. Wenn man heute die Zeitung aufschlägt, treten die düsteren Botschaften zum Klimawandel immer deutlicher in den Vordergrund. Es werden ja weltweit z. B. immer noch neue Kohlekraftwerke gebaut, obwohl wir wissen, dass dies die klimaschädlichste Form der Energiegewinnung überhaupt ist - und uns die Zeit, hier gegenzusteuern, eindeutig davon läuft. Ist das nicht frustrierend?
Prof. Christian Berg: Das kann durchaus der Fall sein. So wichtig es ist, auf die Dringlichkeit gerade des Themas Klimawandel hinzuweisen, dürfen wir die Menschen andererseits nicht frustrieren. Denn das ist ja die spannende Frage, die ich auch in meinem Buch thematisiere: Wie bekommen wir die Menschen ins Handeln – und zwar in die richtige Richtung? Ich versuche das in meinem Buch damit zu beantworten, dass ich Handlungsprinzipien aufstelle und sage: Jeder kann was tun, egal wo er oder sie steht. Wenn man den Blick auf die Welt insgesamt legt, muss man natürlich sagen: das, was wir in Deutschland verändern können, ist global gesehen nur ein sehr, sehr kleiner Teil. Das entbindet uns nicht von der Verantwortung. Allerdings kann es schnell frustrieren, zu sehen, was andernorts "rausgehauen" wird an CO2.
Peter Blenke: Vor dem Hintergrund dieser Szenarien frage ich mich manchmal, ob wir den Klimawandel überhaupt noch aufhalten können. Was ist Ihre Meinung dazu?
Prof. Christian Berg: Wenn Sie mich fragen, müssen wir uns natürlich auch auf die Veränderung des Klimas ein Stück weit einstellen. Im Umgang mit dem Klimawandel unterscheidet man häufig zwischen drei Handlungsbereichen: Erstens der Vermeidung und Reduktion von CO2-Emissionen, zweitens der Anpassung an den Klimawandel, und drittens dem „Climate Engineering“ - also der Frage, ob wir nicht irgendwann selbst in das Klima aktiv eingreifen müssen, um dieses zu unseren Gunsten zu verändern. Gerade der letzte Punkt ist ein extrem heikles Thema, denn wir haben oft genug in der Vergangenheit festgestellt, dass die besten Absichten und die besten Projekte das Gegenteil von dem erreicht haben was sie wollten. Und gerade hier müssen wir extrem vorsichtig sein, denn wir haben nur einen einzigen Versuch. Trotzdem glaube ich, dass wir auf lange Sicht wahrscheinlich gar nicht darum herum kommen werden, auch hier über Maßnahmen nachzudenken - aber das ist eher im Zeithorizont von Jahrzehnten oder Jahrhunderten relevant. Aber nochmal konkret zurück zu Ihrer Frage, ob wir unsere Klimaziele noch erreichen können: Hans Joachim Schellnhuber, der Gründer und langjährige Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK), hat kürzlich die Chance, dass wir die Ziele des Pariser Abkommens noch erreichen, auf 10% eingeschätzt. Das ist nicht viel - trotzdem dürfen wir uns davon nicht entmutigen lassen und tun, was wir tun können. Im Sinne Luthers: "Wenn die Welt morgen untergeht, pflanze ich heute noch ein Bäumchen." Diesen Spirit - den dürfen wir nicht verlieren, denn sonst haben wir schon verloren.
Peter Blenke: Ja, das erleben wir aus meiner Sicht auch gerade bei der jungen Generation, die teilweise extrem konsequent handelt und uns das Thema Klimaschutz vorlebt. Aber vielleicht unterschätzen wir auch insgesamt die Bereitschaft der Bevölkerung zur Veränderung. Wir haben kürzlich unsere Mitarbeiter befragt, wer bereit wäre, für den Klimaschutz auch persönliche Einschränkungen in Kauf zu nehmen und eigene Verhaltensweisen zu ändern. Mit einem überraschenden Ergebnis: Fast 80% der Mitarbeiter wären dazu bereit. Das hätten wir in dem Ausmaß nicht erwartet. Die Frage ist aber: was kann jeder Einzelne konkret tun? Wo würden Sie konkret ansetzen?
Prof. Christian Berg: Wichtig ist, dass wir ein Verständnis dafür bekommen, wo unsere größten Hebel sind. Das ist in der Politik so – das ist aber auch im persönlichen Leben so. Es ist zum Beispiel prima, wenn jemand seine Beleuchtungstechnik zu Hause komplett auf LED umstellt – aber es wäre falsch, daraus zu schlussfolgern, dass man danach guten Gewissens zum Shoppen nach New York fliegen kann. Damit würde man die Einsparung über Jahre wieder zunichtemachen. Hier könnte man vielleicht tatsächlich auch eine Tugend aus der Not von Corona machen. Im Moment können wir einfach nicht so viel reisen, aber dadurch haben wir die Chance, zu lernen, wie schön unsere Umgebung ist. Das konnten viele diesen Sommer erleben. Natürlich möchte man irgendwann auch wieder Fernreisen unternehmen, aber das muss alles in einem sinnvollen Maß stattfinden. Hier können wir vielleicht durch Corona lernen und unser Verhalten langfristig anpassen.
Christian Reisinger: Herr Prof. Berg, Ihr neues Buch ist ein Bericht an den Club of Rome, dessen deutschem Präsidium Sie angehören und für den Sie ehrenamtlich tätig sind. Der Club of Rome prägt seit 50 Jahren den öffentlichen Diskurs zum Thema Nachhaltigkeit wie kaum eine andere Institution. Hilft Ihnen das auch heute noch, mit Ihren Botschaften Gehör bei Entscheidungsträgern zu finden?
Prof. Christian Berg: Ja, oft hilft es ganz bestimmt. Allerdings stellen wir fest, dass gerade die jüngeren Menschen mit dem Club of Rome gar nicht mehr viel verbinden. Aber mit dem Club of Rome ist es wie mit anderen Institutionen: wenn es sie nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Denn unter seinem Dach finden sich Menschen aus ganz unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft – Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, NGOs und viele andere mehr – zusammen, um gemeinsam über die großen Zukunftsfragen nachzudenken.
Peter Blenke: Herr Berg, vielen Dank für das Gespräch!
Das vollständige Interview mit Prof. Berg mit ConClimate Geschäftsführer Dr. Christian Reisinger finden Sie HIER.